Tipps für Lehrkräfte | Zeitzeugenbefragung

Tipps zur Durchführung eines Zeitzeugenprojekts

1. Suche nach einem geeigneten Zeitzeugen

Ob euer Zeitzeugeninterview am Ende gelingt, hängt nicht unwesentlich vom Zeitzeugen selbst ab. Die Suche nach einem geeigneten Zeitzeugen sollte deshalb am Anfang eurer Projektarbeit stehen.

Sicher habt auch ihr im Verwandten- oder Bekanntenkreis, an eurer Schule oder in der Nachbarschaft geeignete Zeitzeugen, die ihr befragen könnt. Fragt auch eure Oma oder euren Opa! Manchmal helfen auch Fotoalben, um alte Erinnerungen wieder wachzurufen. Schließlich helfen oft auch Altersheime, Archive und Museen bei der Suche nach einem geeigneten Zeitzeugen.

Folgende Überlegungen solltet ihr beachten:

  • Der Zeitzeuge muss ein bestimmtes Wissen über die Zeit haben, über die er etwas erzählt. Er sollte sich ferner auf seine Zuhörer einstellen können. Auch ihr solltet euch auf euren Zeitzeugen einstellen. Am besten ist es deshalb, wenn ihr mit eurem Zeitzeugen ein kurzes Vorgespräch führt.
  • Der Zeitzeuge sollte Fragen zulassen und diese beantworten können.

Sind diese Kriterien erfüllt, ist der Zeitzeuge in der Regel geeignet.

 

2. Erstellung eines Arbeits- und Zeitplans

Um euer Projekt zu strukturieren, alle Arbeitsschritte sinnoll aufeinander zu beziehen und wichtige Termine zu koordinieren solltet ihr zusammen mit eurer Lehrerin/eurem Lehrer einen möglichst genauen Arbeits- und Zeitplan für das Zeitzeugenprojekt erstellen. Je nachdem wie groß eure Gruppe/Klasse ist, könnt ihr arbeitsteilige Aufgaben festlegen. Denkt auch an rein organisatorische Dinge wie z.B. die rechtzeitige Reservierung eines (Schul-)Raumes für das Interview oder die Organisation des Aufnahmegerätes und der Aufzeichnung selbst.

 

3. Eingrenzung des Interviewthemas

Grenzt euer Interviewthema unbedingt ein, indem ihr ein Leitthema auswählt und dazu Schwerpunkte festlegt (siehe dazu auch die Themenvorschläge in der Ausschreibung). Diese Festlegungen solltet ihr nach Möglichkeit mit eurem Zeitzeugen grob abstimmen.
Das Leitthema kann zum Beispiel die Suche nach Spuren der römischen Herrschaft in Bayern sein. Schwerpunkte dazu könnten sein: das römische Straßennetz, römische Stadtgründungen, römisches Handwerk, die römische Armee in Bayern usw.
Selbstverständlich könnt ihr auch ein Längsschnittthema wählen, z.B. "Die jahrhundertealte Geschichte der Einwanderung von der Apenninenhalbinsel nach Bayern".

 

4. Vorbereitung des Zeitzeugeninterviews

Vorbereitungsschritte:

  • Knappe, problemorientierte Einführung in die Zeitzeugenbefragung als historischer Methode durch die Lehrerin/den Lehrer
  • Übung der Interviewmethode und der Interviewdokumentation Die einfachste Übungsform ist das Rollenspiel (Gesprächsführung, Fragetechnik, Verwendung von Interviewkarten, Einzel- oder Gruppeninterview). Zur Dokumentation dient ein Verlaufsprotokoll, das durch eine Fotodokumentation ergänzt wird oder eine Audio-/Videoaufzeichnung
  • Aneignung von histrorischem Grundwissen zum Themenschwerpunkt. Das eingereichte Zeitzeugenprojekt muss zudem eine kurze Einleitung zum Zeithintergrund enthalten (siehe Ausschreibung).
  • Erstellung eines Fragebogens mit Leitfragen
    Neben Fragen zum Zeitgeschehen können - nach Absprache mit dem Zeitzeugen - auch Fragen zur Person/Familie des Zeugen gestellt werden.

5. Durchführung des Zeitzeugeninterviews

  • Festlegung des Interviewortes und der Teilnehmer
  • Schriftliche Einladung des Zeitzeugen
  • Begrenzung der Anzahl der Interviewer
    Die Schülergruppe, welche die Befragung durchführt, sollte nicht mehr als 5-6 Schüler/Schülerinnen umfassen. Weitere Schüler könnten ein "Technikerteam" bilden und wären für die Video-/ Audioaufzeichnung des Interviews sowie für das Fotografieren verantwortlich.

6. Auswertung des Interviews

Die Auswertung kann – je nach Altersstufe der Schülerinnen und Schüler - nach den folgenden vier Aspekten vorgenommen werden. Bitte beachtet dazu die in der Wettbewerbsausschreibung genannten jahrgangsstufenorientierten Anforderungen.

  • Herausarbeiten der Kernaussagen des Zeitzeugen
  • Überprüfung der Richtigkeit der Zeugenaussagen
    Aspekte: Widersprüche, Erinnerungslücken, biographische Brüche, sog. "individuelles Kontinuitätsgebot"
  • Herausarbeiten des Blickwinkels des Zeugen auf bestimmte Ereignisse / individuelles Deutungsmuster
  • Vergleich eigener Erwartungen/Vorurteile mit den Ergebnissen des Interviews

7. Präsentation der Ergebnisse

  • Entscheidung für eine Präsentationsform eurer Ergebnisse (z. B. Web-Seite der Schule, Schülerzeitung, Jahresbericht, kleine Schulausstellung)
    Tipp: Ihr könnt zur Eröffnung der Schulausstellung euren Zeitzeugen einladen. Er wird sich bestimmt freuen.
  • Abfassen einer Abschrift des Interviews oder Vorführung als Video
  • Anfertigen einer Einleitung zum Zeitzeugenprojekt
  • Auswahl von (Interview-)Fotos für die Präsentation und ggf. Hinzufügen von Begleitdokumenten
  • Einreichen eurer Projektarbeit beim Schülerlandeswettbewerb Erinnerungszeichen. Bitte denkt daran: Angenommen werden Wettbewerbsbeiträge ausschließlich in Form einer CD-ROM/DVD oder einer Projektmappe im DIN-A4-Format.

8. Fazit

Zeitzeugenprojekte benötigen Zeit und eine sorgfältige Vorbereitung. Nicht zu unterschätzen ist jedoch die Begeisterung der Schüler und Schülerinnen für diese Form des Geschichtsprojekts - und insbesondere für die Lebens- und Alltagsgeschichte des Zeitzeugen.

Betrachtet man den methodischen und fachlichen Aspekt, stellt man fest, dass die Schüler in beiden Bereichen viel lernen. Insbesondere erkennen die Schüler, dass "Geschichte" nicht nur aus Schulbuchwissen besteht, sondern von Menschen geprägt wird. Durch das eigene Erschaffen von historischen Quellen durch die Zeutzeugenbefragung wird den Schülern zudem die grundsätzliche Multiperspektivität von Geschichte und ihrer Darstellung deutlich.

 

9. Literaturhinweise

  • Dehne, Brigitte: Zeitzeugenbefragung im Geschichtsunterricht, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 54, 2003, S. 440-451.
  • Geppert, A. C. T.: Forschungstechnik oder historische Disziplin? Methodische Probleme der Oral History, in: GWU 45 (1994), S. 303-323.
  • GESCHICHTE LERNEN, Heft 76/2000: Oral History.
  • Henke-Bockschatz, Gerhard: Zeitzeugenbefragung, in: Mayer, Ulrich / Pandel, Hans- Jürgen/Schneider, Gerhard (Hg.): Handbuch Methoden im Geschichtsunterricht, Schwalbach/Ts.2004, S. 354-369.
  • ders., Heitzer, H. W.: Oral History, in: Schreiber, Waltraud (Hg.): Erste Begegnungen mit Geschichte. Grundlagen historischen Lernens, Bd. 1, Neuried 1999, S. 459-476.
  • Herbert, Ulrich: Oral History im Unterricht, in: Geschichtsdidaktik 9, 1984, S. 211-219.
  • Hoffmann, Dirk: "Oral history" – das historische Interview, in: Bauer, Volker u. a., Methodenarbeit im Geschichtsunterricht, Berlin 1998, S. 91-95.
  • Kaminsky, Uwe: Oral History, in: Pandel, Hans-Jürgen / Schneider, Gerhard (Hg.): Handbuch Medien im Geschichtsunterricht, Schwalbach/Ts. 1999, S. 451-467.
  • Barbara Keller: Rekonstruktion von Vergangenheit. Vom Umgang der "Kriegsgeneration" mit Lebenserinnerungen, Opladen 1996.
  • Plato, Alexander von: Chancen und Gefahren des Einsatzes von Zeitzeugen im Unterricht, in: BIOS. Zeitschrift für Biographie und Oral History 2001, S. 134-138.
  • Rox-Helmer,Monika: Zeitzeugenbefragung: Mehr als "Erzähl doch mal?". In: Geschichte lernen Heft 68 (1999). Friedrich Verlag. Velber 1999. S. 54-59.
  • Siegfried, Detlef: Zeitzeugenbefragung. Zwischen Nähe und Distanz, in: Dittmer, Lothar / Siegfried, Detlef (Hg.): Spurensucher. Ein Praxisbuch für historische Projektarbeit, Weinheim 1997, S. 50-66.
  • Stöckle, Frieder: "Zum praktischen Umgang mit Oral History", in: Herwart Vorländer (Hg.): Oral History. Mündlich erfragte Geschichte, Göttingen 1990, S. 131-158.
  • Vorländer, Herwart: "Mündliches Erfragen von Geschichte", in: Ders.: Oral History. Mündlich erfragte Geschichte, Göttingen 1990, S. 7-28.
  • Wierling, Dorothee: Oral History. In: Handbuch der Geschichtsdidaktik. Hrsg. Klaus Bergmann, 5. überarbeitete Auflage. Kallmeyersche Verlagsbuchhandlung. Seelze- Velber 1997. S.236-239.